Im Alter wird das Budget bei vielen enger. Dass das Eigenheim nur kostet und kein Geld abwirft, tut sein Übriges. Diese Optionen haben Rentner, um liquider zu werden
Dieses Szenario dürfte vielen Familien bekannt vorkommen: Oma muss ins Altersheim. Nachdem sie die Kellertreppe runtergefallen ist und sich die Hüfte gebrochen hat, kann sie nicht mehr alleine leben. Die Großmutter lebt zwar im Eigenheim, bekommt aber kaum Rente. Das Geld reicht also nicht aus, um die Rechnungen des Seniorenstifts zu bezahlen. Was nun?
Vor solch einem Problem stehen Familien regelmäßig. Plötzlich muss Geld her, für den Umzug ins Altersheim, ein neues Dach oder für die regelmäßige Hilfe eines Pflegedienstes. Oder die Großeltern sind noch fit und wollen eine letzte große Reise unternehmen. Auch wenn Oma und Opa nicht in Armut leben, kann das Geld schnell knapp werden. Bei vielen Seniorinnen und Senioren steckt der Großteil des Vermögens nämlich in der eigenen Immobilie. Sie zahlen zwar keine Miete, müssen aber trotzdem laufende Kosten decken und sie haben abseits der Rentenzahlungen oft kaum Bargeld verfügbar.
Viele ältere Menschen wollen nicht verkaufen
Personen mit solche einem Liquditätsengpass hat Dirk Scobel, Baufinanzierungsberater bei der Verbraucherzentrale Hamburg, immer wieder vor sich sitzen. „Es ist fast schon zu einem typischen Problem für die aktuelle Rentnergeneration geworden, besonders wenn nur noch ein Partner lebt“, sagt er. „Wenn die Rente zu gering für die laufenden Kosten oder die Pflege ist, dann nützt einem auch die abbezahlte Immobilie nichts.“
Denn im Gegensatz zu Anlagemitteln wie Aktien oder Anleihen lassen sich Immobilien nicht schnell in Bargeld verwandeln. Hinzu kommt: Viele ältere Menschen wollen gar nicht verkaufen. Oft haben sie das Haus selbst gebaut, die Kinder darin großgezogen, alle Feste hier gefeiert. Selbst wenn sie ins Seniorenheim umziehen müssen, wollen viele ihre Immobilie nicht verkaufen.
Das stellt Kinder und Enkel vor eine große Herausforderung, besonders dann, wenn die Rente der Großeltern nicht für die Rechnungen reicht. Immer wieder locken Banken und unabhängige Anbieter für die Leibrente oder den Teilverkauf. Bei der Leibrente tauschen Rentner quasi ihre Immobilie gegen eine monatliche Rente. Die Immobilie gilt als verkauft, der neue Eigentümer ist also für entstehende Kosten zuständig. Die Ruheständler dürfen aber bis an ihr Lebensende dort wohnen bleiben, das sollte aber auf jeden Fall im Grundbuch hinterlegt sein. Beim Teilverkauf veräußern Senioren einen Teil ihrer Immobilie an ein Unternehmen. Sie dürfen zwar darin wohnen bleiben, müssen aber auch alle Kosten übernehmen – obwohl das Teilverkauf-Unternehmen Miteigentümer ist.
Die Verbraucherzentralen warnen allerdings vor diesen Modellen. In kurz: Die Abschläge sind zu hoch, der Liquiditätsgewinn gering. Für die meisten lohnt sich der Schritt nicht. Experte Scobel sagt aber auch: „Im Einzelfall können auch die Leibrente oder ein Teilverkauf sinnvoll sein, sie sind aber keine gute Standardlösung.“
Tilgungsfreies Darlehen: Liquidität auf einen Schlag
Eine bessere Option sind zum Beispiel tilgungsfreie Darlehen. Die Immobilie dient als Sicherheit des Kredits. Die Eigentümer können dann zum Beispiel einen Teil des geschätzten Immobilienwertes als Darlehen aufnehmen. Die Besonderheit bei dieser Art Kredit ist, dass die Kreditnehmer alles auf einmal ausgezahlt bekommen, monatlich dann aber nur die Zinsen zahlen – keine Raten. Diese Darlehen sind endfällig. Das heißt: Erst zum Ende der Kreditlaufzeit müssen sie dann das geliehene Geld in voller Höhe zurückzahlen.
Das kann sich für Seniorinnen und Senioren lohnen. „Der Vorteil am tilgungsfreien Darlehen ist, dass es mit einem mal viel Liquidität bringt und man den Kredit später mit dem Hausverkauf abbezahlen kann“, so Scobel. So lassen sich einmalige Investitionen wie das neue Dach oder der Einbau des Treppenlifts finanzieren, aber auch langfristig ein Platz im Pflege- oder Altersheim. Und wenn die Kreditnehmer nicht alles auf einmal brauchen, ist das noch besser: „Das übrige Geld können Seniorinnen und Senioren währenddessen natürlich anlegen“, rät der Experte. Damit meint er aber keine Aktien- oder Anleihenkäufe, sondern eher Fest- und Tagesgeld. Aktuell gibt es aufs Tagesgeld bis zu 3,75 Prozent Zinsen, dabei muss aber die Laufzeit beachtet werden.
Apropos Zinsen: Die müssen Kreditnehmer bei dieser Art des Darlehens schließlich monatlich zahlen. Damit einem am Ende nicht das Geld ausgeht, sollte man vorher den Taschenrechner zücken: Monatliche Zinszahlungen mal zwölf Monate mal die Jahre, die der Kredit läuft. Das Ergebnis sind die kompletten Zinskosten, die für das Darlehen anfallen werden – und genau diesen Betrag sollten Kreditnehmer nicht ausgeben, sondern direkt von der ausgezahlten Summe beiseitelegen. „So geraten Kreditnehmer nicht in Bedrängnis und der Kredit nicht in Gefahr“, sagt Scobel.
Familiäre Alternativen
Bevor sich Rentnerinnen und Rentner aber noch einen Kredit auflasten, sollte die Familie ganz offen sprechen und überlegen, ob es nicht doch Alternativen gibt. Muss ein Großelternteil zum Beispiel ins Pflegeheim, will das Haus aber nicht verkaufen oder an Fremde vermieten, könnten Familienmitglieder einziehen. Zieht zum Beispiel eines der Kinder mit den Enkelkindern ein, würden die sich die Miete sparen und könnte dann zum Beispiel die übrigen Pflegekosten stemmen. Gibt es sogar zwei Wohneinheiten im Haus, oder ließe sich einfach ein Bereich abteilen, könnte auch nur ein Teil vermietet werden und so Geld in die Kasse spülen.
Egal wofür sich Familien entscheiden, sie sollten sich nicht aufs Wort der anderen verlassen, warnt Scobel: „So etwas müssen Familien schriftlich festhalten, am besten in einem Vertrag vom Notar oder Rechtsanwalt“, sagt der Finanzierungsexperte. Nur so erlangen alle Seiten Rechtssicherheit. „Und damit alle Interessen fair vertreten sind, sollte der Vertrag auch nicht von der Enkelin geschrieben sein, die gerade mit dem Jurastudium durch ist“, rät Scobel. Besonders wichtig ist das, wenn ein Teil der Familie einzieht. Dann steht die Möglichkeit eines vorgezogenen Erbes, also einer Schenkung, im Raum. Und da können sich andere schnell benachteiligt fühlen.
Źródło: Capital.de