E-Commerce: Warum Temu-Chef Colin Huang die Öffentlichkeit meidet

E-Commerce: Warum Temu-Chef Colin Huang die Öffentlichkeit meidet

Colin Huang ist einer der mächtigsten Milliardäre der Volksrepublik. Doch in der Öffentlichkeit findet er nicht statt. Das hat auch mit seinem großen Konkurrenten Alibaba zu tun

Die Shopping-App Temu dürften die meisten Deutschen inzwischen kennen. Den Mann dahinter aber wohl kaum: Colin Huang, 44 Jahre alt und einer der erfolgreichsten Startup-Milliardäre in China. Mit gigantischem Wachstum in den USA und Europa hat die Plattform Temu ihrem Gründer vor Kurzem einen weiteren Titel eingebracht: Laut dem Milliardärs-Ranking der Finanzagentur „Bloomberg“ ist Huang inzwischen der reichste Mann im Reich der Mitte, fast 52 Milliarden Dollar schwer.

Ein Großteil von Huangs Vermögens stammt aus dem 25-prozentigen Anteil an seiner E-Commerce-Holding Pinduoduo (PDD), zu der auch Temu gehört. Durch den Höhenflug der Shopping-App hat er Mineralwasser-Mogul Zhong Shanshan überflügelt, der laut „Bloomberg“ ein Vermögen von 47,4 Milliarden Dollar hat. Huangs größter Rivale Jack Ma, Gründer der ebenso populären Shopping-Plattform Alibaba, liegt inzwischen abgeschlagen auf Rang fünf mit 33,6 Milliarden Dollar.

Colin Huang, der eigentlich mit vollem Namen Huang Zheng heißt, stammt aus einfachen Verhältnissen. Seine Eltern waren Fabrikarbeiter in der ostchinesischen Hafenstadt Hangzhou, die heute als Chinas Silicon Valley gilt, und wo etwa Alibaba sein Hauptquartier hat. Als Schüler war Huang nicht nur ein Mathe-Ass, sondern auch sprachlich begabt und lernte daher an einer Elite-Sprachschule Englisch. Später studierte er Informatik an der University of Wisconsin und gab sich selbst den englischen Vornamen Colin.

Nicht nur seine Ausbildung, auch seine ersten beruflichen Schritte machte Huang im Westen: als Software-Ingenieur eines damals kleinen Silicon-Valley-Startups namens Google, für das er nach seinem Abschluss nach China zurückkehrt. Dort gründete Huang ab 2007 seine ersten Firmen und 2015 dann Pinduoduo, eine Plattform, mit der er sich nicht auf Luxus-Shopping in Chinas Metropolen konzentrierte, sondern die er anfänglich als Online-Marktplatz für Bauern positionierte. Aus dem ländlichen Raum expandierte PDD dann schrittweise in die Städte. 

Multimilliardäre leben in China gefährlich

Zudem kombinierte Huang die Erfolgsrezepte von Chinas Internetgiganten Alibaba und Tencent: Shopping und Spielen. So konnte er wagen, was Alibaba sich lange nicht traute: direkt an Endkunden in den Westen herantreten. 2022 brachte PDD Temu an den Start. Und eroberte mit Glücksrädern, Rabattspielen und digitalem Fische-Füttern die westliche Käuferschaft im Sturm.

Huangs Vermögen schwankt nicht nur mit dem Börsenkurs seiner Schnäppchen-App Temu. Sondern wie das Schicksal aller chinesischen Superreichen generell auch mit den Launen der Kommunistischen Partei. Huang gehört dabei zu einer neuen Generation von Tycoons, die offenbar aus den Erfahrungen der Superreichen unter Präsident Xi Jinping gelernt hat. Und deshalb nirgendwo öffentlich in Erscheinung tritt.

Temu

Denn ohne die offene Unterstützung oder zumindest stillschweigende Billigung der KP ist wirtschaftlicher Erfolg dieser Größenordnung für Männer wie Huang in der Volksrepublik nicht möglich. Zu wichtig sind ihre Konzerne, zu öffentlich ist ihr Reichtum und ihre Macht – und damit die potenzielle Bedrohung der Staatslenker in Peking. Wer zu protzig und zu forsch seine wirtschaftlichen Interessen vertritt, im innerparteilichen Ränkespiel in Ungnade fällt oder sich als öffentliches Exempel für Korruption empfiehlt, kann von der Staatssicherheit sehr schnell auf den Boden der realkommunistischen Tatsachen zurückgeholt werden. Und ohne Anklage, Anwalt oder Prozess einfach verschwinden. 

Schweigen ist Huangs Erfolgsformel

Seit seinem Amtsantritt 2012 hat Präsident Xi Jinping Dutzende Politiker, Beamte und Milliardäre mit teils hollywoodreifen Verhaftungen in öffentlichen Anti-Korruptionskampagnen demontiert. Dabei verschwanden unter anderem Chang Xiaobing, Chef der China Telecom, Yim Fung, Chef eines der größten Finanzmakler im Land oder Bao Fan, Gründer der Investmentbank China Renaissance Holdings, wochenlang spurlos. 

Xiao Jianhua, den Chef der Tomorrow Holdings, entführten Geheimdienstagenten am helllichten Tag aus einem Luxushotel in Hongkong – im Rollstuhl, mit einem Laken über dem Gesicht. Xu Xiang, der Eigentümer einer großen Investmentfirma, wurde aus seinem Auto gekidnappt. Für die Festnahme von „Big Xu“ riegelte die Polizei extra eine 36 Kilometer lange Brücke ab. Und selbst den chinesischen Interpol-Chef Meng Hongwei kassierte Peking bei einem Besuch in der Heimat einfach ein und verurteilte ihn später wegen Korruption zu 13 Jahren Haft. Was an den Vorwürfen gegen all die Männer wirklich stimmte und was nicht, ist in einem Land, in dem Gerichte nicht frei und unabhängig sind, schwer zu sagen. 

KTG: Die reichsten Chinesen

Besonders aus einem Fall hat Colin Huang offenbar gelernt: Nachdem Alibaba-Chef Jack Ma öffentlich Pekings Vorgehen im Finanzsektor kritisiert hatte, verschwand er 2020 monatelang spurlos. Huang dürfte dagegen bisher ein Milliardär nach Xi Jinpings Geschmack sein: Er hat nicht nur einen Anteil an PDD für wohltätige Zwecke und 100 Millionen Dollar an seine Alma Mater, die Zhejiang-Universität, gespendet und ist aus der PDD-Führung zurückgetreten. Sondern hat seit Frühjahr 2021 öffentlich absolut nichts gesagt.

Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen. Das Nachrichtenportal gehört wie Capital zu RTL Deutschland.

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Źródło: Capital.de

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